Stellungnahme zur Corona-Prämie – Akutpflege in den Kliniken darf nicht leer ausgehen

DGF-Stellungnahme zur Corona-Prämie des Bundes

Akutpflege in Kliniken darf nicht leer ausgehen

Pflegende in der klinischen Akut- und Intensivpflege haben in der Corona-Pandemie eine entscheidende Rolle gespielt. Die aktuelle Bonusregelung der Bundesregierung lässt ihren Einsatz aber völlig außer Acht. Um die Leistung dieser wichtigen Fachpflegepersonen anzuerkennen, sollte eine nachträgliche Corona-Prämie auch für betroffene Bereiche in der Akutpflege gesetzlich verankert werden.

Am 14. Mai 2020 hat die Bundesregierung eine gestaffelte Sonderleistung für Pflegende in der Altenpflege und der ambulanten Pflege beschlossen, um ihren außerordentlichen Einsatz während der COVID-19-Pandemie zu würdigen (Corona-Prämie). Wir begrüßen sehr, dass damit die Arbeit in diesen ohnehin schlecht bezahlten pflegerischen Sektoren ein wenig aufgewertet wurde und betrachten dies als Ausdruck gesellschaftlicher Wertschätzung.
Als Deutsche Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste e.V. (DGF) weisen wir in diesem Zusammenhang jedoch mit aller Deutlichkeit darauf hin, dass diese Bonus-Regelung den pflegerischen – und im Besonderen – den fachpflegerischen Einsatz in den Bereichen der Intensiv- und Notfallpflege während der COVID-19-Pandemie im Bereich der Akutpflege in den Krankenhäusern völlig außer Acht lassen. Dies trifft bei weitergebildeten Fachpflegepersonen und Pflegenden in diesen Bereichen auf Unverständnis.

Pflege von COVID-19-Patienten ist physisch und psychisch sehr belastend
Gerade im Klinikbetrieb besteht durch den intensiven Kontakt mit dem Patienten sowie die ständige Präsenz bereits erkrankter Menschen ein erhöhtes Risiko, selbst an COVID-19 zu erkranken. Erschwerend kommt hinzu, dass sich aufgrund kognitiver oder demenzieller Einschränkungen nicht alle erkrankten Patienten an die vorgeschriebenen Infektionsschutzmaßnahmen halten können.
Viele Patienten müssen bei Verdacht auf eine Corona-Infektion oder einer bereits bestätigten Infektion mit COVID-19 akutstationär aufgenommen werden. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn sie sich aufgrund vorbestehender Pflegebedürftigkeit, Vorerkrankungen oder aber der Schwere der Erkrankung nicht alleine zu Hause in Quarantäne versorgen können. Auch aus Senioren- und Pflegeeinrichtungen werden an COVID-19 erkrankte Menschen in der Regel ins Krankenhaus verlegt. Hier stehen weitergebildete Fachpflegende kontinuierlich im direkten Kontakt mit diesen hochinfektiösen Menschen und deren Sekreten und Ausscheidungen.
Darüber hinaus ist der Arbeitsalltag während der COVID-19-Pandemie im Krankenhaus extrem belastend – mit sehr zeitintensiven und aufwendigen Isoliermaßnahmen, inklusive der ständig zu wechselnden persönlichen Schutzausrüstung und zusätzlicher Desinfektionszeiten. Bei diesem Krankheitsbild treten zudem häufig Notfallsituationen auf, die gemeistert werden müssen. Ist eine Beatmung der Intensivpatienten erforderlich, ist eine regelmäßige Bauchlagerung entscheidend, die sehr zeit-, personal- und kraftaufwendig ist. Neben diesen physischen Belastungen sorgen Besuchsverbote sowie lebensbedrohliche Situationen und Sterbebegleitungen für weitere psychische Belastungen.
In den Krisenregionen und Corona-Spezialkliniken wurde die enorme Arbeitsbelastung gerade in der Intensivpflege auch hier in Deutschland bereits deutlich.

Nicht nur in der Pandemie – es braucht eine Aufwertung der Fachpflege
Um genügend Intensivplätze für beatmete Patienten mit einem schweren Verlauf der COVID-19 Infektion bereitzuhalten, wurden die Beatmungskapazitäten im Intensivbereich bei Ausbruch der Corona-Pandemie deutlich erhöht. Hierbei wurde deutlich, wie wichtig, aber rar hochqualifizierte, zweijährig weitergebildete Fachpflegekräfte sind. Nur diese pflegerischen Experten können diese komplexe intensivpflegerische Situation mit akutem Lungenversagen und daraus resultierendem Multiorganversagen professionell einschätzen und jederzeit situationsgerecht handeln.
Schon vor Ausbruch der Pandemie wurden vorhandene Intensivplätze gesperrt, weil die Kliniken nicht über genügend Intensivpflegepersonal verfügten. Hier gilt zu bedenken: Nur mit der Bereitstellung eines Intensivbettes und der dazugehörigen Beatmungsmöglichkeit sind lebensgefährlich erkrankte COVID-19-Patienten noch nicht versorgt. Je nach Eskalationsstufe einer Corona-Krise müssen Intensivfachpflegepersonen eine Schlüsselrolle übernehmen, um eine sichere Patientenversorgung zu gewährleisten (Ullrich 2020).
Mit Beginn der Pandemie wurden einige Gesetzesänderungen für den Krankenhausbereich umgesetzt: Sowohl die seit 2019 geltenden Personaluntergrenzen als auch das Arbeitszeitgesetz wurden teilweise außer Kraft gesetzt. Das hat bisher leider nur dazu geführt, dass einige Kliniken diese gesetzlichen Anpassungen zu Ungunsten der Pflegefachpersonen und einer sicheren Patientenversorgung ausnutzen. So werden aus Profitgründen die gerade erst festgelegten Personaluntergrenzen unterlaufen oder 12-Stunden-Schichtsysteme vorgeschrieben, obwohl bisher noch keine Corona-bedingte Krisensituation eingetreten ist (Landespflegekammer RLP 2020).
Es sollte eigentlich selbstverständlich sein, dem außerordentlichen und risikobehafteten Einsatz der Intensivfachpflegepersonen und Pflegefachpersonen in der Akutpflege im Krankenhaus mit gesellschaftlicher Wertschätzung zu begegnen. Diese tragen zum Schutz des Lebens einer besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppe bei. Für Intensivfachpflegende und Pflegefachpersonen ist es selbstverständlich, sich dieser außergewöhnlichen Verantwortung und dem damit verbundenen persönlichen Risiko zu stellen. Darum sollten sie auch erwarten dürfen, dass ihr Einsatz in dieser extremen Ausnahmesituation im Krankenhaus angemessen finanziell bedacht wird.
Als Fachgesellschaft für spezialisierte Fachbereiche in der Pflege tritt die DGF daher dafür ein, dass auch für die betroffenen Pflegenden der Akutpflege in den Krankenhäusern als Interimslösung Corona-Prämien gesetzlich verankert werden. Langfristig müssen unter Berücksichtigung der schwierigen Arbeitsbedingungen die Pflegenden in Hochleistungsbereichen wie z. B. der Intensiv- und Notfallpflege adäquat vergütet werden. Der Dauerzustand einer chronischen Unterbezahlung von Fachpersonen im deutschen Gesundheitssystem muss endlich der Vergangenheit angehören. Es ist auch längst an der Zeit, erweiterte Tätigkeitsfelder mit autonomen Handlungsspielräumen für Intensivpflegepersonen mit einer staatlich anerkannten Weiterbildung zu definieren, damit ihr situationsgerechtes Handeln, rechtlich abgesichert und in einem deutlich höheren Tarif bezahlt wird. Qualifikation und Weiterbildung müssen sich lohnen. Sie werden zum Beitrag einer sicheren Patientenversorgung.

Literaturhinweise:
Hower, K.I., Pförtner, T-K., Pfaff, H. (2020): Pflegerische Versorgung in Zeiten von Corona – Drohender Systemkollaps oder normaler Wahnsinn. Wissenschaftliche Studie zu Herausforderungen und Belastungen aus der Sichtweise von Leitungskräften. URL.:
http://www.imvr.de/uploads/Pflegerische_Versorgung_in_Zeiten_von_Corona_Ergebnisbericht.pdf
Landespflegekammer Rheinland-Pfalz (2020): Fehlsteuerungsanreize in Krankenhäusern müssen ausgehebelt werden. URL.:
https://www.pflegekammer-rlp.de/index.php/news-lesen-130/fehlsteuerungsanreize-in-krankenhaeusern-muessen-ausgehebelt-werden.html
Ullrich, L., Teigeler, B. (2020): „Die Krise ist noch nicht vorbei“. PflegenIntensiv 2020/2: S.25-27

Stellungnahme Corona-Prämie 18.06.2020

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